Tübinger Forscher suchen neue Therapie
Parkinson: Dem Sturz zuvorkommen
Starkes Zittern, verlangsamte Bewegungen und plötzliches Einfrieren – dass sind typische Symptome der Parkinson-Krankheit. Forscher der Uniklinik Tübingen haben nun eine Möglichkeit gefunden, wie sich diese vorhersehen – und sogar lindern lassen.
Von Regine Warth
Und plötzlich wollen die Beine nicht mehr so wie der Kopf, sagt Margarete. Beispielsweise wenn es plötzlich an der Wohnungstüre schellt, und sie aufstehen will, um dem Besuch hereinzulassen. Es passiert, wenn sie auf dem Weg ins Schlafzimmer einen Abstecher in die Küche machen möchte, um ein Glas Wasser zu holen. „Plötzlich wie festgefroren“ fühle sich ihre Beine an, sagt die 79-Jährige, die ihren wahren Namen nicht veröffentlicht haben möchte. Kann sich Margarete bei diesem abrupten Stopp nicht abfangen, droht ein Sturz. „Ich kann von Glück sagen, dass ich mir noch nichts gebrochen habe.“
Gang freezing nennen die Ärzte dieses Phänomen – ein typisches Symptom von Parkinson, das viele Menschen mit der neurologischen Erkrankung kennen. In ihrem Gehirn sind jene Nervenzellen geschädigt, die Dopamin produzieren. Der Botenstoff regelt den Fluss elektrischer Impulse vom Hirn über die Nerven zu den Muskeln. Steht weniger Dopamin zur Verfügung, verlieren Betroffene zeitweise die Kontrolle über den Körper.
Parkinson-Patienten kommen nur verzögert in Gang
Margarete ist eine resolute Frau, die sich nicht unterkriegen lassen möchte – schon gar nicht von einer Krankheit. „Ich war eben aus dem Berufsleben ausgeschieden, als sich „Herr Parkinson“ in mein Leben stahl“, erzählt sie. Gekommen, um zu bleiben.
Seitdem kämpft sie jeden Tag mit diesem unerwünschten Begleiter. Es ist gar nicht so der Tremor, das starke Zittern, der sie heimsucht. „Ich hadere vor allem mit der Steifheit der Muskeln.“ Mit der Verlangsamung jeder Bewegung, die jede Spontanität und auch Vitalität zunichte macht. „Ich komme nur noch verzögert in Gang“, sagt sie. Insbesondere morgens, wenn es darum geht, aus dem Bett zu kommen.
Seit ihrer Diagnose ist sie in der Uniklinik Tübingen in Behandlung. Dort forschen Ärzte wie Daniel Weiß, Leitender Oberarzt und Forschungsgruppenleiter am Hertie Institut für Klinische Hirnforschung – intensiv an Möglichkeiten, die Symptome der Krankheit abzuschwächen. Vieles lässt sich schon mittels Medikamenten verbessern: Etwa mit Therapeutika, die den Mangel an Dopamin im Gehirn wieder ausgleichen.
Bisherige Parkinson-Therapie hilft nicht bei Gangblockaden
Im weiteren Verlauf der Erkrankung unterzieht sich ein Teil der Patienten einer sogenannten Tiefen Hirnstimulation, bei der implantierten Sonden, die für die Bewegung zuständigen Hirnareale mit elektrischen Impulsen stimulieren. Auf diese Weise kann die Motorik stabilisiert und typische Symptome wie das Zittern verringert werden. Da Medikamente teils ungleichmäßig wirken, kann auch dies mit der Tiefen Hirnstimulation ausgeglichen werden. „Nur die Gangblockaden lassen sich durch diese Behandlungen nicht immer abwenden“, sagt Weiß.
Doch diese sind für Parkinson-Patienten besonders fatal – nicht nur aufgrund der körperlichen Folgen wie Verletzungen und Knochenbrüche. Mit jedem Sturz schwindet das Vertrauen in den eigenen Körper. Häufig haben Patienten danach Ängste und ziehen sich aus dem aktiven Leben zurück.
Bei Parkinson kommt es zur Fehlsteuerung der Beinmuskeln
Den Stürzen zuvorkommen – das ist das Ziel von Daniel Weiß und seinen Kollegen. Und sie haben nun auch einen Hinweis auf einen therapeutischen Weg gefunden: Eine neue Generation von Hirnschrittmachern erlaubte seit wenigen Jahren erstmals, nicht nur zu stimulieren sondern Hirnaktivität aus der Tiefe des Gehirns in Echtzeit zu messen, während Patienten gingen und Gangblockaden entwickelten.
Es zeigte sich, dass aufgrund des Mangels an Dopamin im sogenannten Nucleus subthalamicus – einem Nervenkern tief im Inneren des Gehirns – eine fehlerhafte Aktivierung erfolgt. Diese führt wiederum zu einer Fehlsteuerung der Beinmuskulatur. Statt zu Gehen, kommen die Gliedmaßen plötzlich zum Stillstand.
Ärzte wollen Gehirn von Parkinson-Patienten besser stimulieren
„Interessanterweise zeigt das Gangbild des Gehirn bereits wenige Schritte und Sekunden vor einer solchen Gangblockade bereits Auffälligkeiten – zu einer Zeit, in der der Patient aber noch gehfähig ist“, sagt Weiß. Zusammen mit seinem Team entwickelt der Neurologe neue Anwendungen, um die Neurostimulation noch gezielter einzusetzen, am besten um eine sich ankündigende Gangblockade noch kurz zuvor abzuwenden. „Die aktuellen Hirnschrittmacher verfügen teilweise bereits über die technologischen Voraussetzungen für solche Anwendungen.“ Bis eine solche Behandlung allerdings zur Anwendung kommen wird, sind noch weitere Entwicklungsschritte und klinische Studien erforderlich.
Zeit, die Patienten wie Margarete nicht tatenlos vorüberziehen lassen wollen. Sie habe die Diagnose akzeptiert, sagt sie. Aber vor der Erkrankung will sie nicht kapitulieren. „Ich kämpfe dagegen an.“ Experten sagen, dass neben einer gesunden Ernährung vor allem Sport dazu beitragen kann, das Erkrankungsrisiko zu reduzieren und den Verlauf der Krankheit möglicherweise etwas abzuschwächen. Margarete hat dies beherzigt. Ihr Alltag ist geprägt von einer Mischung aus Kraft- und Ausdauertraining. „Das trägt dazu bei, dass ich mir meine Selbstständigkeit einigermaßen bewahren kann.“
Was jeder tun kann, um sein Parkinson-Risiko zu senken
Auslöser Ein bekannter Risikofaktor für Parkinson ist das Alter: die meisten Betroffenen sind bei Diagnose etwa 50 Jahre alt. Aber es gibt auch Patientinnen und Patienten, die bereits in jüngeren Jahren erkranken. Hier liegt oft eine genetische Veränderung vor, die das Risiko einer Parkinson-Erkrankung erhöhen. Weitere mögliche Dinge, die eine Erkrankung beeinflussen, sind Umwelt- und Lebensstilfaktoren sowie häufige Kopftraumata, also Verletzungen oder Gehirnerschütterungen.
PräventionImmer mehr Studien zeigen, dass man mit der richtigen Ernährung sein Risiko für Morbus Parkinson senken – und vermutlich sogar den Krankheitsverlauf beeinflussen kann. Wichtig ist, so früh wie möglich auf eine vollwertige Kost mit Vollkornprodukten, Obst und Gemüse zu setzen, sowie mit Lebensmitteln, die viele sogenannte Polyphenole enthalten – etwa Olivenöl, Grüntee und roten Beeren.