Deutschlands größter Freizeitpark wird 50
Warum der Europa-Park fast gescheitert wäre
Der Freizeitpark bei Rust ist eine beispiellose Erfolgsgeschichte. Doch am Anfang wollte kaum jemand dort arbeiten, mehrere Ansiedlungsversuche scheiterten und die Presse spekulierte schon über eine Freizeitparkruine.

© Europa-Park
Von Anfang an war eine Maus das Maskottchen. Sie hieß zunächst allerdings Kitty.
Von Eberhard Wein
Was haben der Europa-Park-Chef Roland Mack und der wohl künftige Kanzler Friedrich Merz (CDU) gemeinsam? Ihre beste Idee skizzierten sie auf einem Bierdeckel. Doch während Merz die Steuererklärung im Bierdeckel-Format wohl auch in den kommenden vier Jahren nicht einführen wird, ist Macks Bierdeckel-Idee zu einer 50-jährigen Erfolgsgeschichte geworden. An einer Hotel-Bar habe er mit seinem Vater Franz über die Eröffnung eines Freizeitparks diskutiert und auf einem kleinen Stück Pappdeckel eine erste Skizze angefertigt – mit Achterbahn, Karussell und dekorativen Gebäuden. Noch heute ruht sie im Firmenarchiv.
Dass diese Idee einmal zu Deutschlands Branchenprimus aufsteigen würde, war keineswegs eine ausgemachte Sache, als sich die Mitglieder der Ruster Musikkapelle damals, im Jahr 1975, zur Eröffnungsfeier im blau-roten Landsknecht-Kittel vor dem Haupteingang aufstellten. Zum Start in die Jubiläumssaison hat sich die Kapelle noch einmal ihre Uniformen angezogen. „Eigentlich tragen wir die Dinger nur noch an Fastnacht“, sagt Wolfgang Peter, grinst und schnallt sich die große Trommel vom Bauch. Damals war er ein 15-jähriger Teenager, blies Trompete und erinnert sich noch genau: „Als der Minister kam, sollten wir einen Marsch spielen.“ Später fuhr die Kapelle noch stundenlang musizierend auf dem Panoramabähnle über das Gelände.
Der Pleitegeier schwebt über dem Park
Für die Ruster war die Eröffnung ein Großereignis. Doch dass der Europa-Park ihr kleines verschlafenes Fischerdorf derart verändern würde, hätten wohl die wenigsten geahnt. „Wir fuhren mit dem Moped herum. Sonntagmittags durften wir auch in die Disko Cleopha“, erinnert sich Wolfgang Peter an seine frühe Jugend. Heute beginnt nur wenige Schritte vom Rathaus entfernt Europas größter Freizeitpark, und es dürfte wohl kaum einen Jugendlichen geben, der nicht gerne in Rust aufwachsen würde. Jeder Einwohner besitzt eine Jahreskarte – kostenlos. Das hatte der damalige Bürgermeister Erich Spoth ausgehandelt.
Der war einer der wenigen, die schon damals an das Projekt glaubten. Die Presse war erbarmungsloser. Schon vor der Eröffnung wurde darüber spekuliert, was wohl aus der „Freizeitpark-Ruine“ in dem badischen Nest werden sollte. Der Standort weitab eines Ballungszentrums stieß auf Vorbehalte. „Der Pleitegeier schwebt über dem Europa-Park“, titelte die „Badische Zeitung“. Erst kurz vor der Eröffnung stimmte sie dann doch noch in die Jubelchöre ein: „Erlebnispark der Superlative öffnet“.
Keine Achterbahn, dafür Minigolf
Zuspruch hatten die Macks durchaus nötig. Denn der Weg zur Realisierung des Parks war holprig. Nur die örtliche Volksbank war überhaupt bereit, Geld für das Wagnis zur Verfügung zu stellen, musste sich aber Unterstützung von benachbarten Volksbanken holen, um die Kreditsumme zu stemmen. Gleichwohl musste Vater Franz Mack sein gesamtes Vermögen mitsamt seinem Wohnhaus als Sicherheit geben.
Zunächst hatte der Park in Breisach entstehen sollen. Dort meldete das Wasserwirtschaftsamt aber Bedenken wegen des Hochwasserschutzes an. In Neuenburg scheiterte die Ansiedlung, weil das Bundesverkehrsministerium von den Macks verlangte, eine Unterführung unter der Autobahn für viel Geld auszuweiten. In Rust gelang es schließlich ein altes Schloss und einen dort bereits angesiedelten Märchenpark nebst Streichelzoo zu erwerben. Mit 13 Attraktionen auf 16 Hektar ging man schließlich an den Start – darunter solch harmlose Vergnügen wie eine Minigolfbahn. Die erste Achterbahn wurde erst 1984 mit dem Alpenexpress aufgebaut. Das zuständige Landratsamt des Ortenaukreises stellte solche Vorhaben vor gewaltige Herausforderungen. „Man hat gerätselt, ob vielleicht das Bundeseisenbahngesetz angewendet werden müsste“, sagt Mack.
„Wir wussten nicht, ob jemand kommt“
Jede Erweiterung war mit komplizierten Grundstücksverhandlungen verbunden. Auch hier zeigte sich die dörfliche Struktur von Rust. Er habe in seinem Leben bestimmt mehr als 1000 Grundstückskäufe unterzeichnet, sagt Mack, der recht unerwartet die Geschäftsführung übernehmen musste. Kurz vor der Eröffnung war ein Geschäftsfreund, der als Pächter vorgesehen war, gestorben. Auch Macks Frau und seine Mutter mussten mithelfen und sich ins Kassenhäuschen setzen. „Niemand wollte in einem Betrieb arbeiten, der eh bald wieder dicht macht“, sagt Mack. Fünf Mark kostete der Eintritt. Doch ob jemand kommen würde, war ungewiss. „Heute sieht man ja die Vorbuchungen über das Internet, aber damals hatten wir keine Ahnung“, sagt Mack. Schon im ersten Jahr zählte der Park 250 000 Gäste, drei Jahre später waren es über eine Million. 2024 kamen mehr als sechs Millionen.
Doch der Erfolg macht Mack fast wehmütig. „Man kann von all dem nichts mitnehmen“, sagt er. Der Musiker Wolfgang Peter sagt es so: „Wir Ruster leben reich und sterben arm“. Mack ist längst einer von ihnen.

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Die Traumwelt Europa-Park wird am Abend zu einem besonderen Blickfang. Doch ehe es so weit war, ist es ein weiter Weg gewesen.

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Die Idee war dem 2010 verstorbenen Firmenpatriarchen Franz Mack (Foto) und seinem Sohn Roland bei Besuchen in den USA gekommen.

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Dorthin hatten sie immer wieder Fahrgeschäfte aus ihrem Unternehmen verkauft.

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Für die in Waldkirch ansässige Produktion von Karussells und Achterbahnen wollte man eine Ausstellungsfläche schaffen.

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Dort hatte man seit dem 18. Jahrhundert zunächst Wagen hergestellt und war später zum Hoflieferanten des Zirkus Krone aufgerückt.

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Dort waren viele der Pläne für Attraktionen entstanden.

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Der erste Entwurf für den Europa-Park entstand aber auf einer Rückreise aus den USA entstand auf einem Bierdeckel.

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Spätere Entwürfe wurden schon konkreter. Mit dabei auch ein kleiner See. Der Europasee bei Breisach ist der Namensgeber für den Park, obwohl die dortige Ansiedlung letztlich am Einspruch des Schifffahrtsamtes scheiterte.

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Nach zweijähriger Bau- und Planungszeit konnte der Park am 12. Juli 1975 seine Tore öffnen.

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Roland Mack (rechts), der heute noch die Geschicke des Parks längt, hielt die Eröffnungsrede. Mit dabei war auch der Wirtschaftsminister des Landes Baden-Württemberg, Rudolf Eberle (Mitte).

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Der europäische Gedanke wurde von Anfang an betont, prägte den Park aber noch nicht komplett.

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So war der Mississippidampfer eine der ersten Attraktionen.

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Besser passte da schon die Monza-Piste ins Portfolio.

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Dort konnte man unter anderem im Porsche auf die Strecke gehen.

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Wie damals zuckelt auch heute noch eine Einschienenbahn über das Gelände.

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Und wer es erkunden, wollte bestieg eine Westernbahn, die noch heute als Panorama-Bahn durch den Park rattert.

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Vor 25 Jahren, beim 50. Geburtstag von Roland Mack (2. Reihe), hatte Ed Euromaus aber bereits das Zepter übernommen.