Folgen des Klimawandels
Warum es weltweit immer mehr Hitze-Hotspots gibt
Auf der Erde gibt es immer mehr unvorhergesehene Hitze-Hotspots. Auch Deutschland gehört dazu, wie eine Studie enthüllt. In diesen Gebieten treten Extremtemperaturen und Hitzewellen auf, die die Vorhersagen der gängigen Klimamodelle übertreffen.
Von Markus Brauer
Ob im Westen Kanadas, im Mittelmeerraum, in Indien oder sogar in der Arktis und Antarktis: In den letzten Jahren gab es in vielen Regionen neue Temperaturrekorde und besonders intensive, anhaltende Hitzewellen. Prinzipiell kommt dies nicht unerwartet: Klimamodelle prognostizieren schon länger, dass sich mit den steigenden Durchschnittstemperaturen auch die Temperaturextreme mehren.
Heißer als die Modelle vorhersagen
Doch wie sich jetzt zeigt, geht die neue Hitze in einigen Regionen weit über das hinaus, was Klimamodelle erklären können. „Hier geht es um extreme Trends, deren physikalische Basis wir nicht ganz verstehen“, erklärt Erstautor Kai Kornhuber vom International Institute for Applied Systems Analysis (IASA) im österreichischen Laxenburg.
Für ihre Studie, die im Fachmagazin „Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS)“ erschienen ist, haben die Forscher regionale Maximaltemperaturen der letzte 65 Jahre ausgewertet und diese mit den Prognosen eines großen Satzes von Klimamodellen abgeglichen.
A new study that is hilarious in it's lameness. It's like these people have never heard of weather before, and they only exist in climate headspace. https://t.co/sTfyBYzK3g — Bob Hafer (@rehafer) November 28, 2024
Überproportionalen Zunahme der Extreme
Fast überall auf der Welt gibt es Hotspots mit Extremtemperaturen, die über das in den Modellen Prognostizierte hinausgehen. In Westkanada beispielsweise wurden die bisherigen Maximaltemperaturen im Juni 2021 um gleich 30 Grad übertroffen. An anderen Orten kommen solche Hitzewellen häufiger vor als sie es statistisch dürften.
Klimaforscher sprechen von einem „Tail-Widening“ – einer überproportionalen Zunahme der Extreme in der Verteilungskurve. „Die Modelle unterschätzen die Landfläche, in der ein solches Tail-Widening um mehr als 0,5 Grad pro Jahrzehnt stattgefunden hat, um den Faktor vier“, konstatieren Kornhuber und sein Team.
Hotspots auf der ganzen Weltkarte
Wie ein fiebriger Ausschlag verteilen sich diese roten Hotspots auf der Weltkarte der Modellabweichungen. „Diese Gebiete werden vorübergehend zu Treibhäusern“, erklärt Kornhuber.
Besonders ausgedehnt sind die roten Flecken im Süden Südamerikas und Australiens, in Europa, im Norden Nordamerikas, Grönlands und in Teilen Chinas und Russlands. Auch im Amazonasgebiet überschreiten die Hitzetage teilweise das von den Modellen Vorhergesagte. Es gibt aber auch einige Regionen, in denen die Hitze sich langsamer entwickelt als prognostiziert, darunter Nordafrika, Sibirien und Teile der USA.
Europa ist stärkster Hitze-Ausreißer
Doch die am mit Abstand stärksten betroffene Region ist Nordwest- und Mitteleuropa: „Europa ist ein globaler Hitzewellen-Hotspot, in dem die heißesten Tage des Jahres doppelt so schnell wärmer werden als im Mittel“, berichten die Forscher.
Vor allem in Deutschland, Frankreich, Großbritannien und den Niederlanden gab es in den vergangen fünf bis zehn Jahren immer wieder außergewöhnliche Hitzephasen, die über dem von den Modellen prognostizierten lagen, wie Kornhuber und sein Team ermittelten.
Allein 2022 und 2023 starben insgesamt mehr als 100.000 Menschen durch die extremen Hitzesommer. Auch, weil Klimaanlagen anders als in den USA oder Teilen Asiens bei uns noch wenig verbreitet sind. Im September 2024 gab es ebenfalls neue Rekordtemperaturen für diese Jahreszeit, unter anderem in Frankreich, Ungarn, Norwegen und Schweden.
Mittelmeerländer: Hotspot des Klimawandels
Der Mittelmeerraum, der in den zurückliegenden Wochen von Hitzewellen und Waldbränden heimgesucht wurde, ist von Wissenschaftlern zu einem der Brennpunkte des Klimawandels erklärt worden. Menschen, Tiere und Natur, aber auch ganze Wirtschaftszweige in Südeuropa, Nordafrika und Nahost sind durch den Klimawandel bedroht.
„Hitzewellen nehmen aufgrund des Klimawandels in der Mittelmeerregion zu und werden in Städten durch die Folgen des urbanen Lebens verstärkt“, was zu Krankheits- und Todesfällen führe, heißt es in einem Bericht des Weltklimarates IPCC. Die Universität Bern hat errechnet, dass Intensität, Länge und Anzahl von Hitzewellen im östlichen Mittelmeer seit den 1960er Jahren um das Sechs- bis Siebenfache zugenommen haben.
Hitzewellen nehmen durch Klimakrise deutlich zu
Die Wahrscheinlichkeit für eine Hitzewelle wie derzeit im Mittelmeerraum ist einer Analyse zufolge im Zuge der Klimakrise stark gestiegen. Die derzeitigen Temperaturen, insbesondere in Griechenland, seien bis zu fünfmal wahrscheinlicher geworden, hat die US-Organisation Climate Central festgestellt.
„Wir wissen, dass die Wetterbedingungen mit hoher Waldbrandgefahr direkt mit dem Klimawandel zusammenhängen“, erklärt Andrew Pershing, Leitautor der Analyse. Denn der Klimawandel führe zu langen Perioden mit Trockenheit und Hitze, was das Risiko für Brände erhöhe. „Wir müssen Kohle, Öl und Gas im Boden lassen“, betont Pershing. „Sonst werden solche Feuersommer mit extremen Temperaturen im Mittelmeerraum zur neuen Norm werden. Nicht nur in Griechenland, sondern in der ganzen Region.“
Ursachen vielfältig und teils ungeklärt
Warum diese Hitze-Hotspots die Prognosen überholt haben, ist nicht eindeutig geklärt. Kornhuber und sein Team vermuten aber, dass eine Kombination mehrere Faktoren zu dieser regionalen Überhitzung beiträgt.
In Europa und Russland gilt der Jetstream als ein ausschlaggebender Faktor. Durch die starke Erwärmung der Arktis wird dieses wellenartig über die Nordhalbkugel laufende Windband geschwächt und verlangsamt. Dies blockiert den Wetterwechsel und lässt tropische Warmluft häufiger bis weit in die gemäßigten Breiten strömen.
Allerdings kann dieser Effekt nicht alle jetzt identifizierten Hitze-Hotspots erklären. In anderen Regionen könnten daher weitere Strömungsmuster und die zunehmende Trockenheit die Erwärmung verstärken, so die Hypothese von Kornhuber und seine Kollegen.
Bei diesem „dry gets hotter“-Mechanismus steigen die Temperaturen, weil trockenere Böden und Vegetation weniger Verdunstungskühle erzeugen. „Trockenen Böden und die damit verknüpften Feedbacks sind bedeutende Hitzewellen-Treiber“, schreiben die Wissenschaftler.
„Wir sind für diese Extreme nicht gemacht“
Nach Ansicht der Klimaforscher demonstrieren diese Ergebnisse, dass die Folgen des Klimawandels noch lange nicht vollständig verstanden oder vorhersagbar sind. „Unsere Ergebnisse unterstreichen die Notwendigkeit, die Treiber der extremen Hitze besser zu verstehen und die Treibhausgas-Emissionen rapide zu senken, um weiteren Schaden durch solche nicht vorhergesagten Wetterveränderungen zu minimieren“, konstatieren Kornhuber und seine Kollegen.
Angesichts der gravierenden Folgen von Hitzewellen und Extremtemperaturen könne es sich die Menschheit nicht leisten, nichts zu tun. „Wir sind für diese Extreme nicht gemacht und möglicherweise können wir uns nicht schnell genug anpassen“, warnt Kai Kornhuber.