Baden-Württemberg

Verfassungsschutz hat 90 minderjährige Islamisten im Visier

Baden-Württemberg erlebt derzeit eine Welle der Radikalisierung unter Kindern und Jugendlichen. Für die Verfassungsschützer ist es oft schwer, das Ausmaß der Gefahr im Einzelfall zu kalkulieren.

Der Verfassungsschutz in Baden-Württemberg hat mit zunehmender Radikalisierung von Jugendlichen zu kämpfen. (Symbolfoto)

© dpa/Marijan Murat

Der Verfassungsschutz in Baden-Württemberg hat mit zunehmender Radikalisierung von Jugendlichen zu kämpfen. (Symbolfoto)

Von dpa/lsw

Der baden-württembergische Verfassungsschutz hat derzeit rund 90 minderjährige Islamisten im Visier. Man bearbeite nahezu 90 Sachverhalte von minderjährigen Islamisten, die sich meist online radikalisiert hätten, teilte ein Sprecher mit. Seit 2023 erfasse man eine auffällige Dichte entsprechender Fälle. „Der Nahostkonflikt fungiert hierbei als ein Katalysator für Radikalisierung.“ So sei seit dem Überfall der Terrororganisation Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 ein rapider Anstieg feststellbar, der nach wie vor andauere. Zunächst hatte der SWR berichtet.

Der SWR zitiert den Leiter der Abteilung „Islamistischer Extremismus und Terrorismus“ beim Verfassungsschutz, Benno Köpfer, der von mehreren Fällen berichte, in denen etwa Anleitungen zum Bombenbau in Chats geteilt wurden oder bei Durchsuchungen Hinrichtungsvideos und Sammlungen von Kampfliedern gefunden wurden. In sozialen Medien fänden Jugendliche ideologische Versatzstücke, aus denen sie sich einen „Lego-Islam“ bauten, so Köpfer laut SWR.

Mitläufer von potenziellen Attentätern unterscheiden

Teilweise gebe es laut Köpfer Überschneidungen zum Rechtsextremismus. In einem Fall habe sich ein Jugendlicher, der von einem IS-Mitglied kontaktiert worden sei, zugleich als Hitler-Fan gezeigt. Die Herausforderung sei, „Maulhelden und Mitläufer“ von potenziellen Attentätern zu unterscheiden. 

Die im Laufe der vergangenen zwei Jahre bekanntgewordenen Personen seien in der Regel in virtuelle Gruppen eingebunden, betonte der Sprecher des Verfassungsschutzes. Die Aufklärung sei ein fortlaufender Prozess, immer wieder würden neue virtuelle Netzwerke bekannt. Nicht selten führe das Aufdecken einer neuen Gruppe dazu, dass gleich mehrere Personen identifiziert würden, so die Ermittler.

Verschiedene Grade der Radikalisierung

Die Minderjährigen seien unterschiedlich stark radikalisiert, so der Verfassungsschutz - das Spektrum reiche vom Verbreiten dschihadistischer Propaganda und von Gewaltdarstellungen bis zu Anschlagsplänen sowie Ausreiseversuchen in Regionen, die von dschihadistischen Gruppen kontrolliert werden. Für die Sicherheitsbehörden sei herausfordernd, zu ermitteln, wie groß die tatsächliche Gefahr für Gewalthandlungen im Einzelfall sei.

Immer wieder werden laut Verfassungsschutz Fälle über Schulen und Bildungseinrichtungen bekannt. Um dem aktuellen Trend zu begegnen, seien auch Familien, Lehrkräfte und Freundeskreise gefordert, betonte der Sprecher. Sie sollten Auffälligkeiten ansprechen und sich gegebenenfalls an Schulleitungen, Sicherheitsbehörden oder Beratungsstellen wenden, um Radikalisierung frühzeitig zu entdecken und rechtzeitig zu unterbrechen.

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Erstellt:
14. März 2025, 14:58 Uhr

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